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YADGARI - ERINNERUNGEN
So lautet der Titel des vorliegenden Kataloges von Faek Rasul, dessen schicksalsbewegtes Leben als Kurde in einer Konfliktstadt in einem Konfliktland durchwoben und durchzogen ist von den Auswirkungen und dem Terror des politischen Regimes und seiner Versuche, darauf menschliche Antworten zu finden. Es waren dies die Antworten eines jungen, umfassend gebildeten und unbestechlichen Intellektuellen und sensiblen Künstlers und sie brachten ihm Gefängnis und Folter und hätten ihm beinahe das Leben gekostet.
Es gelang ihm die Flucht über die Berge in den Iran und so kam Faek Rasul 1986 nach Österreich um sich hier eine neue Existenz aufzubauen.
Der Künstler lebt und arbeitet seit 1987 in Wien und präsentiert seit 1992 seine Werke in internationalen Ausstellungen.
Der Katalog umspannt in einer Art Retrospektive einen umfassenden 20-jährigen Werkbogen, welcher sich von den jüngst entstandenen Arbeiten bis in das Jahr 1987 zurückspannt.

Faek Rasuls Kindheit in einer großen Familie war geprägt von den Eindrücken der brennenden Erdölfelder in seiner Umgebung und den Ritualen der Frauen, die an die Heiligkeit und Magie dieses Feuers glaubten und all ihre Wünsche, Sehnsüchte und ihren Glauben mittels einfacher Zeichen und Symbole in die Wände der nahen Hügelhöhlen ritzten. Sie war geprägt von der Kraft und der Mystik eines alten Sufimeisters, welcher als Wanderer und Vermittler zwischen Himmel und Erde seine Bitten an Gott in wundersame Zeichnungen und Symbole fasste, die Faek als Junge im Lederetui um den Hals trug - nicht ohne diese als neugieriges Kind unerlaubt zu studieren. Die Faszination, die für ihn davon ausging, war mächtig, denn sie führte in der Folge zu einer bewussten Beschäftigung mit den magisch-zeichenhaften und bannenden Spuren menschlichen Seins.
Diese Spuren begegneten ihm auch in der kurdischen Höhlenmalerei während seines Aufenthaltes in der Berggegend von Karadach und Dukan.
Jene Eindrücke sollten sich ein Jahrzehnt später als formale Basis und Träger persönlicher wie kollektiver chiffrierter Erinnerung künstlerisch manifestieren.

In der Ernsthaftigkeit und verdichteten Schwere des Werkes von Faek Rasul kristallisiert sich, formal variiert, das negierte Vergessen.

Faek Rasul nimmt zunächst seine Erlebnisse im Gefängnis innerlich mit und formuliert die dort visualisierte und geträumte Freiheit ab 1987 in Österreich.
Mit den Titeln "Traum", "Flucht" oder "Warten auf Godot" gestaltet er in surreal-figural-plastifizierender Weise mit schwarzem Kugelschreiber graphisch dichte Werke, verfestigte Schwarz-Weiß-Kompositionen, aus denen Schock und Schreckensstarre sprechen und in denen bandagierte Gestalten mit angstgeweiteten Augen den gebundenen und in Bande gelegten, gefesselten Menschen zeigen.

Es folgen die Werke der 90er Jahre, in welchen durch heftige, kleine, schnelle Pinselhiebe farbgepeitschte und bewegte Bilder in Acryl entstehen, in denen sich der seelische Schmerz, verlebendigt, in den pastos aufgewühlten Farbwolken Bahn zu brechen scheint.
Schemenhaft sind manchmal noch Gesichter und Gestalten zu erkennen, bevor, zunächst noch gemalt, ab 1995 die ersten Symbole erscheinen, d.h. die Verwandlung vom konkret Erlebten zur Erinnerung und damit Abstraktion stattfindet und sich darlegt mit Bildbezeichnungen wie "Mythos" oder "Kunst der Verdrängung".
Technisch beginnt Faek Rasul die Acrylmalerei mit leimgebundenen Sandgründen zu unterlegen.
So entstehen verdichtete Materialbilder, deren Gründe er zunächst mit Hilfe einer Sand-Leimmasse in mehreren Schichten mit Spachtel und Pinsel reliefhaft aufbaut. In den rasch trocknenden Sandgrund werden sodann mit dem Pinselschaft Zeichen, Symbole und Erinnerungs -oder heilige Schriftzüge eingraviert und eingespurt.
Die so gebildete haptisch-taktile Oberfläche mit ihren Graten, Stegen und Vertiefungen wird in der Folge malerisch bearbeitet. Dabei werden auch die Farben nicht nur einfach aufgetragen, sondern in den Grund "eingearbeitet", eingerieben und eingewischt . Überschüssiges wird abgenommen, die Farbe bleibt in den Vertiefungen hängen und bringt sowohl das differenzierte Terrain des Untergrundes als auch die inhaltlich elementaren und formal strukturierenden Zeichen zum Vorschein.

Die nächste Serie von Arbeiten in dieser Art nennt Faek Rasul bereits "Erinnerungen".
Über die Kompositionen von großflächig vibrierenden mystischen Toren, nun bereits reliefhaft eingespurt in den Sandgrund, legen sich manchmal Schriftbänder, deren Zeichen an altägyptische Hieroglyphen oder an sumerische Keilschriften denken lassen. Geheimnisvoll hüllen sich diese Werke in ihr mystisches Wesen. Mit diesen "Erinnerungen" evoziert Faek Rasul die allen Menschen gemeinsame spirituelle Quelle ihres Seins.

Seit fünf Jahren öffnet und berührt der Künstler in dem seitdem entstehenden Bilderzyklus eine weitere Ebene der "Erinnerungen" und verbindet sie mit dem Vorangegangenen.
Faek Rasul taucht nun gestalterisch tief in seine ursprünglichsten Kindheitserinnerungen ein und darüber hinaus, in die Kindheit der Menschengeschichte, in jenes erdige, urzeitliche, archaisch-kollektive, körperlich gebundene Erinnerungs-Bewusstsein, welches von der Dichte und Schwere des materiellen Daseins, vom Leid und vom Schmerz menschlicher Existenz erzählt.
Faek Rasul manifestiert dies mittels jener beschriebenen, durchlebten und durcharbeiteten, intensiven und inhaltsschweren Gründe, deren erdige Farben - Ocker, Terra Cotta, Terra de Siena gebrannt, dunkles Braun oder in jüngster Zeit Blau-Schwarz - an besagte Höhlenwände gemahnen, an Erdinneres, an körperlich und seelisch "Inneres", an "Erinnertes".
"Yadgari" heißt es in der kurdischen Muttersprache des Künstlers.

Diese Erinnerung atmet aber nun nicht mehr. Ihr Schmerz ist eingefangen und der persönlichen Identifikation enthoben. Denn der Künstler wählt nicht die offenporig-körnig-lebendigen und daher verwundbaren Möglichkeiten eines Sandgrundes, sondern er schließt die Poren mit der Glätte und dem Glanz einer satten Firnisoberfläche und er dichtet sie gänzlich mit Farbe ab.
Der Schmerz und die Erinnerung wird im Ocker -und Sienagrund gebunden, verschlossen und konserviert.
Erinnerung per se ist nun tatsächlich eine Konserve der Vergangenheit. Sie ist haltbar, und man kann sie in der Gegenwart öffnen - oder auch nicht.
Doch ist sie bereits abstrakt und als der Vergangenheit zugehörig nicht mehr real.

Dieser Verdichtung und Abstraktion entsprechen die Zeichen, Symbole und Chiffren welche der Künstler in seine Bildkörper graviert.
Augen, Spirale, Dreieck, Kreuze, Kreise, Pfeile und Schriftzüge wirken magisch, bannend, geheimnisvoll und sakral zugleich.
Dennoch- der Glanz der Oberflächen lässt das Licht und den Blick über die Bildebenen gleiten. Der Blick wird nicht festgehalten sondern erhält die Freiheit, sich auch wieder zu lösen, in eine Erinnerung einzutauchen - oder auch nicht.

Die Reise nach innen vollzieht sich stark und intensiv. Faek Rasul arbeitet daher ohne Tageslicht und verklebt die Fenster noch zusätzlich mit Karton. Mögliche Bewegungen und Störungen der Außenwelt werden so abgestellt. Meditative, tranceartige Oud-Musik
(historisches irakisches Saiteninstrument) dient dem Künstler als Grundlage und umfängt die Seele der Arbeiten.

In den zuletzt entstandenen Werken dieses Zyklusses arbeitet Faek Rasul formal noch klarer und konzentrierter, die Abstraktion nimmt weiter zu. Die Werke symmetrisieren sich kompositionell, die Symbole werden noch exakter und geordneter gesetzt, die Oberflächen sind sauber und geschlossen. Die Landkarte der Erinnerung scheint sich dabei weiter zurückzuziehen, der Hintergrund, seine Stille und Ruhe, wird stärker, er beginnt in die Seelen -und Erinnerungslandkarte hineinzufließen, sie anzunagen, sie zur Insel zu schrumpfen, die wie ein Ausschnitt als Teil eines größeren Ganzen, im zusammengefügten Kontext, einer linearen Erinnerungszeitspur gleicht. Die Bilder können tatsächlich zusammengesetzt werden oder einzeln für sich stehen.
Ein fortschreitender Entidentifikationsprozess wird auf diese Weise sichtbar, denn die formale Strenge entspricht einem geklärten Bewusstsein, dem es um Freiheit und Klarheit des Willens geht. Immer wichtiger wird, auch im symbolischen Sinn, der Hintergrund, aus dem die Formen heraussteigen und in welchen sie wieder zurücksinken werden.

Es ist unter anderem das künstlerische Schaffen, das allem menschlichen Machtstreben, aller Grausamkeit, Brutalität, Gewalt, Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit noch immer ein "trotzdem" entgegenhält, da sie das Leben und mit ihm die Liebe beinhaltet.
Bei dem einem Teil der Wahrheit, die im Artefakt verschlüsselt wird, handelt es sich um die dunkle Realität unserer polaren Welt und hier hat Friedrich Nietzsche Recht, wenn er sagt: "Wir brauchen die Kunst, sie ist eine Notwendigkeit, um nicht an dieser Wahrheit zugrunde zu gehen..."

Woran wir uns daher wirklich erinnern sollten, ist die allem Sein zugrundeliegende Essenz und damit daran, wer wir wirklich sind. Diese Erinnerung bedeutet letztendlich das Spiel der Welt zu entlarven, und nur dieser Blick durch die Schleier vermag die Angst und das Leiden aufzulösen.
Dr. Waltraud Schwarzhappel, Kunsthist., Wien, April 2006


Weitere Texte zu Faek Rasuls Schaffen:
"Die Gegenwelt - Faek Rasuls Bilderwelt" - Haimo L. Handl
"Sand der Erinnerung" - Birgit Schwaner
"Kosmische Träume und individuelle Ekstase" - Shamal Amin


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