SAND DER ERINNERUNG
Zu einigen Bildern von Faek Rasul
Wer unter denen, die verwundert, geblendet von leuchtenden Farben vor manchen seiner Bilder stehen bleiben, nachfragt, dem erzählt Faek Rasul faszinierende Geschichte. Es sind Details seiner Biografie, genauer: Momente aus Kindheitserinnerungen. Auf die der 1955 in Kirkuk geborene und seit 1988 in Wien lebende Künstler "beim Malen immer wieder zurückkommt".
Der Sand etwa sei in dem erdölreichen Teil Kurdistans (im Irak), in dem er aufwuchs, so entzündbar gewesen, dass man nicht darüber streichen konnte, ohne dass zwischen den Körner Feuer aufflammte. Und es habe Höhlen gegeben, deren Wände voller magischer Zeichen und Piktogramme gewesen sind . . . gemalt, geschrieben, eingeritzt von Frauen, die sich Kinder wünschten.
Beides - Sand und Zeichen -charakterisieren die jüngsten Arbeiten Faek Rasuls. Den Sand (Art-Brut-Material, doch symbolisch auch für die vergehende Zeit, die durch Sanduhren wie Finger rinnt, gnädig unerbittlich) mischt der Maler mit Acrylfarbe und fügt so, malend, seinen Bildern einen skulpturalen Körper zu. Reliefartig sieht die erhärtete Masse aus Sand und Farben aus - als trüge die Leinwand Stücke einer Steinmauer bzw. Fassade, die stellenweise bröckelt, bricht. Und in diese geritzt, gedrückt, in diese gemalt, in verschiedenen Farben, sind Zeichen und Piktogramme: Kreuze, Kreise, Zeichen, in denen man Leitern erkennt, Schlangen, Tiere, Bäume . . . und die Leitern, reduziert auf einen langen Strich, den horizontal viele kurze Linien, Sprossen schneiden, könnten auch Narben sein . . . die Zeichen vieles komprimiert ausdrückende Graffiti, von denen manche zu verwittern, andere eben entstanden scheinen . . .
Es sind verschlüsselte Karten der Erinnerung and das Leben. Die in den schönsten Farben lassen an Schatzkarten denken, Teppiche, die den Kosmos abbilden, oder geheimnisvolle Landkarten einer vorwissenschaftlichen Epoche. Aufgezeichnet aus dem Blickwinkel, dem die Dinge und Lebewesen, noch ohne ihre Komplexität zu verlieren, in einfachen Strichen abstrahierbar, eindeutig symbolisch darstellbar waren. Trotzdem von unmittelbarer Präsenz, Universalzeichen, die - nicht nur orientalisch - tausend Jahre oder einen Tag alt sein könnten. Sie sind nebeneinander, mal einander überschneidend, mal schräg, kopfüber, jedenfalls so ins Bild gestreut, dass dieses, wie die Welt, aus und in jeder Richtung lesbar ist, nicht dechiffrierbar. Nie kann man sicher sein, ahnt aber, weiß manchmal, und sucht weiter.
Solche Bilder haben Titel wie "Mythos", "Hymne des schwarzen Buchs" oder "Kunst der Verdrängung". Sie zeigen viereckige, orange-rötliche Flächen, oben unregelmäßig, schweben sie fast auf dunkelblauem, dunkelgrünen Untergrund. Da sie an den Rändern goldgelb aufleuchten, springen sie aus dem Bild ins Auge, ikonengleich, Glück verheißend und zeitlos einen utopischen Ort bedeutend. Vielleicht ja den des "Einst" kindlicher Träume, der Fantasie, wo Vergangenheit und Zukunft aufeinander treffen in der Sehnsucht nach dem erfüllten, klarsichtigen Augenblick - und der in seiner Intensität Geheimnis bleibt.
Die Kehrseite solcher Freude (denn es gibt hier Bilder, die zutiefst erfreuen), ohne welche sie nicht erfahrbar werden kann, heißt zwangsläufig Trauer und Tod. Faek Rasul - der während des iranisch-irakischen Krieges (1980 bis 1988) als Kurde unter schlimmen Bedingungen selbst ein Jahr im Gefängnis verbringen musste und viele Freunde verlor - hat anfangs gezeichnet, in Schwarzweiß: gegenständliche Bilder, auf denen die Menschen keine Haut haben, ihre Köpfe aus angespannten Muskelsträngen bestehen.
Jetzt nennt er seine aktuellsten Arbeiten "Grabsteine": Eine Serie von Bildern, auf denen diffuse farbige Flächen in die Höhe wachsen, dichte Busche aus brüchigen Halmen, die zugleich Stein sind, der zerfällt, poröse Grabsteine, denen wie das Fragment einer verschlossenen, unbekannt faszinierenden Geschichte, diesmal separat und in Zeilenform, wiederum Zeichen, hieroglyphische Symbole, beigegeben sind. Die Gräber, die er in der Realität nicht zu Gesicht bekam - sind jetzt die Bilder Faek Rasuls. Die allerdings auch hier, wo sie den Tod um Thema haben, nicht umhin können, an das Geheimnis Leben zu erinnern.
Birgit Schwaner
Weitere Texte zu Faek Rasuls Schaffen:
"Die Gegenwelt - Faek Rasuls Bilderwelt" - Haimo L. Handl
"Kosmische Träume und individuelle Ekstase" - Shamal Amin
"YADGARI - Erinnerungen" - Dr. Waltraud Schwarzhappel
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Wer unter denen, die verwundert, geblendet von leuchtenden Farben vor manchen seiner Bilder stehen bleiben, nachfragt, dem erzählt Faek Rasul faszinierende Geschichte. Es sind Details seiner Biografie, genauer: Momente aus Kindheitserinnerungen. Auf die der 1955 in Kirkuk geborene und seit 1988 in Wien lebende Künstler "beim Malen immer wieder zurückkommt".
Der Sand etwa sei in dem erdölreichen Teil Kurdistans (im Irak), in dem er aufwuchs, so entzündbar gewesen, dass man nicht darüber streichen konnte, ohne dass zwischen den Körner Feuer aufflammte. Und es habe Höhlen gegeben, deren Wände voller magischer Zeichen und Piktogramme gewesen sind . . . gemalt, geschrieben, eingeritzt von Frauen, die sich Kinder wünschten.
Beides - Sand und Zeichen -charakterisieren die jüngsten Arbeiten Faek Rasuls. Den Sand (Art-Brut-Material, doch symbolisch auch für die vergehende Zeit, die durch Sanduhren wie Finger rinnt, gnädig unerbittlich) mischt der Maler mit Acrylfarbe und fügt so, malend, seinen Bildern einen skulpturalen Körper zu. Reliefartig sieht die erhärtete Masse aus Sand und Farben aus - als trüge die Leinwand Stücke einer Steinmauer bzw. Fassade, die stellenweise bröckelt, bricht. Und in diese geritzt, gedrückt, in diese gemalt, in verschiedenen Farben, sind Zeichen und Piktogramme: Kreuze, Kreise, Zeichen, in denen man Leitern erkennt, Schlangen, Tiere, Bäume . . . und die Leitern, reduziert auf einen langen Strich, den horizontal viele kurze Linien, Sprossen schneiden, könnten auch Narben sein . . . die Zeichen vieles komprimiert ausdrückende Graffiti, von denen manche zu verwittern, andere eben entstanden scheinen . . .
Es sind verschlüsselte Karten der Erinnerung and das Leben. Die in den schönsten Farben lassen an Schatzkarten denken, Teppiche, die den Kosmos abbilden, oder geheimnisvolle Landkarten einer vorwissenschaftlichen Epoche. Aufgezeichnet aus dem Blickwinkel, dem die Dinge und Lebewesen, noch ohne ihre Komplexität zu verlieren, in einfachen Strichen abstrahierbar, eindeutig symbolisch darstellbar waren. Trotzdem von unmittelbarer Präsenz, Universalzeichen, die - nicht nur orientalisch - tausend Jahre oder einen Tag alt sein könnten. Sie sind nebeneinander, mal einander überschneidend, mal schräg, kopfüber, jedenfalls so ins Bild gestreut, dass dieses, wie die Welt, aus und in jeder Richtung lesbar ist, nicht dechiffrierbar. Nie kann man sicher sein, ahnt aber, weiß manchmal, und sucht weiter.
Solche Bilder haben Titel wie "Mythos", "Hymne des schwarzen Buchs" oder "Kunst der Verdrängung". Sie zeigen viereckige, orange-rötliche Flächen, oben unregelmäßig, schweben sie fast auf dunkelblauem, dunkelgrünen Untergrund. Da sie an den Rändern goldgelb aufleuchten, springen sie aus dem Bild ins Auge, ikonengleich, Glück verheißend und zeitlos einen utopischen Ort bedeutend. Vielleicht ja den des "Einst" kindlicher Träume, der Fantasie, wo Vergangenheit und Zukunft aufeinander treffen in der Sehnsucht nach dem erfüllten, klarsichtigen Augenblick - und der in seiner Intensität Geheimnis bleibt.
Die Kehrseite solcher Freude (denn es gibt hier Bilder, die zutiefst erfreuen), ohne welche sie nicht erfahrbar werden kann, heißt zwangsläufig Trauer und Tod. Faek Rasul - der während des iranisch-irakischen Krieges (1980 bis 1988) als Kurde unter schlimmen Bedingungen selbst ein Jahr im Gefängnis verbringen musste und viele Freunde verlor - hat anfangs gezeichnet, in Schwarzweiß: gegenständliche Bilder, auf denen die Menschen keine Haut haben, ihre Köpfe aus angespannten Muskelsträngen bestehen.
Jetzt nennt er seine aktuellsten Arbeiten "Grabsteine": Eine Serie von Bildern, auf denen diffuse farbige Flächen in die Höhe wachsen, dichte Busche aus brüchigen Halmen, die zugleich Stein sind, der zerfällt, poröse Grabsteine, denen wie das Fragment einer verschlossenen, unbekannt faszinierenden Geschichte, diesmal separat und in Zeilenform, wiederum Zeichen, hieroglyphische Symbole, beigegeben sind. Die Gräber, die er in der Realität nicht zu Gesicht bekam - sind jetzt die Bilder Faek Rasuls. Die allerdings auch hier, wo sie den Tod um Thema haben, nicht umhin können, an das Geheimnis Leben zu erinnern.
Birgit Schwaner
Weitere Texte zu Faek Rasuls Schaffen:
"Die Gegenwelt - Faek Rasuls Bilderwelt" - Haimo L. Handl
"Kosmische Träume und individuelle Ekstase" - Shamal Amin
"YADGARI - Erinnerungen" - Dr. Waltraud Schwarzhappel
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